In die Höhle des Löwen – Besuch des Kernkraftwerkes Isar
Atomenergie ist eines der umstrittensten Themen der Zeit. Die öffentliche Diskussion wird von Protesten und politisch oft dilettantischem Aktionismus auf beiden Seiten begleitet. Wer weiß also heute noch, worum es wirklich geht bei der Kernenergie? Ein erster Schritt ist es, sich vor Ort ein Bild zu machen. Chefredakteur Robert Schoblick besichtigte deswegen das – mittlerweile vom Netz genommene – Kernkraftwerk „Isar“ des Energieversorgers E.ON. Hier der sehr persönliche Bericht.
Die Tschernobyl-Katastrophe
Der Siedewasser-Druckröhrenreaktor wird in Deutschland nicht eingesetzt, soll jedoch nicht unerwähnt bleiben. Dieser Typ ist in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion weit verbreitet und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa zu finden. Ein Schlagzeilen machendes Beispiel für diesen Reaktortypus ist das Kernkraftwerk in Tschernobyl, dessen Block 4 am 26. April 1986 explodierte und weite Teile Europas mit radioaktivem Fallout kontaminierte.
Druckwasserreaktor
Der Druckwasserreaktor arbeitet mit einem zusätzlichen Wasserkreislauf: Das im Reaktor erhitzte und somit direkt kontaminierte Wasser kommt aufgrund hohen Drucks nicht zum Sieden und verdampft nicht. Es wird in einem Wärmetauscher abgekühlt, wo die Wärmeenergie auf einen – nicht kontaminierten – Sekundärkreislauf übergeht. Erst das im Sekundär-Kühlkreis erhitzte Wasser verdampft mit hohem Druck. Dieser Dampf treibt ein mehrstufiges Turbinensystem an. Der Vorteil des Druckwasserreaktors ist, dass kein radioaktiv kontaminiertes Wasser auf die Turbinen geführt wird und der strahlende Bereich sehr eng begrenzt ist. Der Nachteil sind Wirkungsgradverluste durch den zusätzlichen Wärmetauscher.
Schneller Brüter
Die in Deutschland betriebenen Leichtwasser-Reaktoren haben einen enormen wirtschaftlichen Nachteil: Sie benötigen für den Kernspaltungsprozess Uran-235, das aber in der freien Natur nur zu einem Anteil von rund 0,7% im Uranerz enthalten ist. Erst durch teure und aufwändige Anreicherungsverfahren wird das Uran auf einem Anteil von rund 3% bis 5% Uran-235 gebracht und als nukleares Brennmaterial tauglich. Allerdings bergen Leichtwasser-Reaktoren auch nicht die Gefahr einer unkontrollierten Nuklear-Detonation wie bei einer Kernwaffe. Eine im schlimmsten Fall denkbare Katastrophe wäre eine großflächige Verseuchung mit radioaktiven Spaltprodukten.
Siedewasserreaktor
Beim Siedewasserreaktor erhitzen die Brennstäbe das sie umgebende Wasser bis zum Sieden. Bei einem Druck von über 70 bar entstehen Dampftemperaturen von rund 280°C. Der im Reaktor entstehende Dampf wird direkt auf die Turbinen geführt, an deren Ausgang im Kondensator wieder abgekühlt und in flüssiger Form wieder zurück in den Reaktor gepumpt. Der Vorteil des Siedewasserreaktors ist, dass er keine Verluste im Wirkungsgrad durch einen zusätzlichen Wärmetauscher zur Dampferzeugung (wie beim Druckwasserreaktor) erzeugt. Der Nachteil ist jedoch, dass sehr viele Komponenten des Kraftwerkes direkt mit radioaktiv kontaminiertem Wasser durchströmt werden, was den Aufwand in Sicherheitsvorkehrungen und bei der alljährlichen Revision deutlich erhöht.