Entscheidend zum Gelingen der Energiewende trägt laut Studie insbesondere die intelligente Koordinierung von Netzoperationen und Marktaktivitäten unter Anwendung von Informations und Kommunikationstechnologien (IKT) bei. Ziel muss es sein, wirtschaftliche Vorteile für alle Akteure des Strommarktes (Übertragungs- und Verteilungsnetzbetreiber, Erzeuger, Händler, Konsumenten, Speicherbetreiber und IKT-Serviceanbieter) zu generieren. Allerdings behindert der heutige Rechtsrahmen ein solches „Smart-Supply-System“, da u.a. die Mitmachanreize für erneuerbare Erzeuger fehlen. Umso wichtiger ist es, das Erneuerbare-Energien-Gesetz und weitere reformbedürftige Verordnungen zu novellieren, umFlexibilitätspotenziale bei Erzeugung und Verbrauch zu heben und zum Beispiel „Virtuelle Kraftwerke“ für dezentrales Energiemanagement unter koordinierter Einbindung von Erzeugern, Speichern und steuerbaren Lasten (Demand Side Management) zu ermöglichen.

Der Vorrang der erneuerbaren Erzeugung wird aufgrund der längerfristigen Entwicklungen der Stromerzeugungspreise – das heißt: Kostenanstieg bei fossiler Stromerzeugung undKostenrückgang bei erneuerbarer Erzeugung – durch das „Merit-Order-Prinzip" gesichert werden. Bei diesem Prinzip wird die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke durch die variablenKosten der Stromerzeugung bestimmt. Beginnend mit den niedrigsten Grenzkosten werden Kraftwerke mit höheren Grenzkosten solange zugeschaltet bis die Nachfrage gedeckt ist. Der Preis für Strom an der Strombörse wird bei diesem Verfahren durch das jeweils teuerste benötigte Kraftwerk bestimmt.

Herausforderungen sind nur mit ganzheitlichen Entwicklungskonzepten zu meistern

Die „Energiewende“ konfrontiert die Stromnetze mit neuen, hohen Anforderungen. Eine Herausforderung besteht in der Dislozierung (in der räumlichen Verteilung beziehungsweise Trennung) von Erzeugungs- und Verbrauchszentren – insbesondere von Windkraftparks im Norden und industriellen Verbrauchszentren in südlicheren Ballungsräumen – und in den daraus resultierenden Engpässen in den Übertragungsnetzen. Darüber hinaus bringt die stark steigende Anzahl von Anschlüssen verteilter Erzeuger und neuer Verbrauchertypen zunehmend Netzgefährdungen im Verteilungsnetz mit sich. Ein weiteres Problem besteht in dem vermehrten Auftreten von Extremsituationen, die auf einen hohen Anteil volatiler Erzeugung mit Defiziten an verfügbarer Leistung oder Überschüssen an erneuerbarer Energie und Leistung zurückzuführen sind.

Einzelmaßnahmen reichen nicht aus, um diese Herausforderungen zu meistern. Im Fokus der VDE-Studie stehen daher gesamtheitliche Entwicklungskonzepte. Diese umfasseninsbesondere den Übertragungsnetzbetrieb und Hochleistungsübertragungstechniken, den Paradigmenwechsel in Verteilungsnetzen (Netzausbau, Automatisierung, Anreizregulierung) sowie netzübergreifende Anforderungen (Prognoseverfahren, Schutz- und Automatisierungskonzepte, Informationsaustausch zwischen den Akteuren in denStromnetzen, Smart Metering und Datenschutz, Konzepte zum Management von erneuerbaren Energieüberschüssen und Defiziten), aber auch die Wechselbeziehung vonNetzbetrieb, Netzauslegung und intelligenter Nutzung von Marktmechanismen, die Entwicklung des „Smart-Supply“-Ansatzes und die Gestaltung einer künftigen Marktordnung.

Heutige Gesetzeslage bietet keine Mitmachanreize

Ein wesentliches Defizit des heutigen Strommarktes liegt darin, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz keine Anreize dafür bietet, „Virtuelle Kraftwerke“ für dezentralesEnergiemanagement unter koordinierter Einbindung von Erzeugern, Speichern und steuerbaren Lasten (Demand Side Management) zu realisieren.

Optimierungspotenzial wird auch darin gesehen, dass sich der Stromverbrauch an die verfügbare preiswerte Leistung anpasst, indem er mittels dynamischer Tarife beeinflusst wird(Demand Side Response). Eine tarifliche Beeinflussung der Last bringt aber weder Händlern noch Kunden einen fühlbaren Nutzen. Planung und Einkauf erfolgen heute üblicherweise nach Standardlastprofilen, die Tarifbildung pauschal, ohne marktgerechte Dynamik und Spreizung. Anreize und Möglichkeiten, zum Beispiel mittels nicht zeitflexibler Sondertarife oder variabler Netzentgelte als Bestandteile der Tarife auf die Netzbelastung Einfluss zu nehmen, sind beim Verteilnetzbetreiber nicht vorhanden.

„Zellulärer Ansatz“ als Fundament der Smart-Supply-Idee

Das Fundament der Smart-Supply-Idee - und zugleich eine Ergänzung zur heutigen Systemsteuerung in den vier Regelzonen - ist der sogenannte „zelluläre Ansatz“. Der „zelluläre Ansatz“ ist eine Antwort auf die sich ändernde Energieversorgungsstruktur und ermöglicht u.a. den zellularen Ausgleich von Fluktuationen der dezentralen Stromerzeugung aus Wind und Sonne.

Mit der Bildung von selbstbilanzierenden und Systemdienstleistungen generierenden Smart-Supply-Zellen ist der zelluläre Ansatz zur Reduzierung der Komplexität der Systemsteuerung geeignet. Zellulär organisierte Bilanzierung können sowohl die Systemsicherheit im Umfeld starker Volatilitäten als auch die Entstehung regionaler Märkte fördern. Allerdings müssen im Smart-Supply-System die eingebundenen Akteure neue Funktionen und Marktrollen nutzen können. So muss ihnen der Zugriff auf die jeweils relevanten Messdaten ermöglicht werden („Datendrehscheibe“ gemäß Bundesnetzagentur). Dafür müssen auch die kommunikationstechnischen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in den Verteilungsnetzen geschaffen werden – mit getrennten Kommunikationsdomänen für Markt und Netz. Zellulär ausgerichteter Ausbau der neuen Funktionen kann große Synergieeffekte freisetzen, die sich durch den einheitlichen Messstellenbetrieb auf andere Versorgungssparten ausweiten lassen. Voraussetzungen dafür sind heute bereits bei den Verteilungsnetzbetreibern vorhanden.

Weitere Analysen zur Gestaltung der zukünftigen Marktordnung erforderlich

Es bestehen derzeit große Unsicherheiten im Hinblick auf die Entwicklung der Stromerzeugungskosten, die jederzeitige Abdeckung und die marktwirtschaftliche Beeinflussung von Lastprofilen, die Wirtschaftlichkeit flexibel steuerbarer Erzeugeranlagen bzw. Speicheranlagen und die künftige Tarifbildung auf Basis variabler Marktbedingungen. Daher sieht der VDE eine dringende Notwendigkeit darin, Untersuchungen zur Gestaltung einer künftigen Marktordnung zu starten. Mögliche Eckpfeiler dafür wurden im Smart–Supply–Ansatz der VDE-Studie gesetzt.

Fünf Eckpfeiler für eine zukunftsfähige Marktordnung:

  1. Erneuerbare Erzeuger werden aktive Marktakteure.
  2. Der Vorrang der erneuerbaren Erzeugung wird aufgrund der längerfristigen Entwicklungen der Stromerzeugungskosten (Kostenprogression bei fossiler Stromerzeugung, Kostendegression bei „erneuerbarer Erzeugung“) durch das „Merit -Order- Prinzip" gesichert, nach dem die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke durch die variablen Kosten der Stromerzeugung bestimmt wird.
  3. Moderne Prognoseverfahren sind die Basis für den Stromeinkauf und das Fahrplanmanagement bei den Vertrieben sowie den erneuerbaren Erzeugern.
  4. Stromkunden sind aufgrund dynamischer Tarife mit signifikanter Spreizung in den Markt integriert.
  5. „Virtuelle Kraftwerke“ erarbeiten durch das Agieren auf mehreren Märkten (Intraday- und Day-Ahead-Stromhandel, Regelleistung, Wärme, Gas, CO2-Zertifikate) wirtschaftliche Vorteile für alle Teilnehmer.

Anhand eines Fallbeispiels wurde untersucht, inwieweit unter diesen Bedingungen Win-Win-Situationen für alle Akteure des Stromversorgungsprozesses erreicht werden können.Die Neujustierung des Stromversorgungssystems betrifft ein breites Spektrum an Gesetzen und Verordnungen, die heute unterschiedlichen Zuständigkeiten unterliegen. Der VDEempfiehlt in diesem Zusammenhang, eine bundesweite Gesamtverantwortung zur konsistenten Novellierung des entsprechenden Rechtsrahmens zu etablieren.

Nähere Informationen zum VDE unter www.vde.com.