Aufbau eines IGBT

Beim IGBT handelt es sich um einen vierschichtigen Halbleiterbaustein. Die drei oberen Schichten entsprechen in ihrer Struktur einem klassischen MOSFET. Wie bei einfachen MOSFET gibt es auch beim IGBT verschiedene Typen zu unterscheiden. Grundsätzlich unterscheidet man Verarmungs- (normal leitend) und Anreicherungstypen (normal sperrend). Abhängig vom Dotierungsschema gibt es für beide Varianten p- und n-Kanal-Typen.

Eine zusätzliche Dotierungsschicht im unteren Bereich ist für die zusätzliche Eigenschaft eines bipolaren Transistors verantwortlich. Es fällt im Schaltbild sofort eine Diskrepanz in der Bezeichnung auf: Der Emitter dieses bipolaren Transistors im Ersatzschaltbild stellt bei der Betrachtung des gesamten Bauteils den Kollektor des IGBT dar.

Einweiterer Transistor bildet sich in der Struktur des MOSFET aus. Dies ist allerdings unerwünscht und deswegen spricht man auch vom parasitärem Transistor. Der parasitäre Transistor ist in Verbindung mit dem Innenwiderstand im Kollektorbereich des IGBT für einen als „Latch up“ bezeichneten Effekt verantwortlich.

Betrachtet man die eigentliche Driftschicht des IGBT, so gibt es auch hier eine Unterscheidung in zwei Typen: Beim so genannten Punch Through-Typ (PT-IGBT) wird der untere Bereich der Driftschicht mit einer stärkeren, jedoch gleichartigen Dotierung versehen. So ist bei einem n-Kanal IGBT das Substrat leicht negativ dotiert. Die zusätzliche Pufferschicht ist dagegen stark negativ dotiert. Durch diese Pufferschicht kann trotz, einen dünneren Driftschicht, eine hohe Spannungsfestigkeit erreicht werden.

Der Non-Punch-Trough-Typ (NPT-IGBT) verzichtet auf diese zusätzliche Pufferschicht. Um eine vergleichbare Spannungsfestigkeit wie beim PT-IGBT zu erreichen, muss allerdings die Driftschicht dicker dimensioniert werden.

Unterschiede sind bei diesen beiden Typen insbesondere im Ausschaltverhalten zu erkennen. Aufgrund der Konstruktion eines IGBT verursacht der Ladungsabbau in den Schichten auch nach dem Sperren es bipolaren Transistors über 0V am Gate einen Stromfluss, der als Schweifstrom oder Tail-Current bezeichnet wird. Der Abbau der Ladungsträger in der vergleichsweise dicken Driftschicht eines NPT-IGBT erfolgt allmählich und mit einem relativ geringen Stromfluss. Beim PT-IGBT sind die Drift- und die Pufferschicht insgesamt sehr dünn, so dass die Ladungsträger nur kleine Wege haben. Zudem ist die hoch dotierte Pufferschicht mit sehr vielen Ladungsträgern auf engem Raum belegt. Der Abbau dieser Ladungen erfolgt deswegen beim PT-IGBT sehr schnell, jedoch mit einer vergleichsweise hohen Stromstärke.

Bei der Betrachtung des Einschaltverhaltens wird dem PT-IGBT zudem ein schwer kontrollierbares Verhalten bei sehr niedrigen Temperaturen zugeschrieben. Dies muss insbesondere beim Einsatz der Bausteine im Fahrzeugbau sowie in Outdoor-Anlagen der Energietechnik berücksichtigt werden, die starken Temperaturschwankungen ausgesetzt sind.

Funktionsweise und Eigenschaften

Der IGBT zeichnet sich insbesondere durch die geringe Verlustleistung am Steuereingang (Gate) aus, das im Gegensatz zu einem gewöhnlichen bipolaren Transistor nicht Strom gesteuert arbeitet. Dennoch kann das Bauteil sehr große Leistungen schalten, deren Größenordnungen im Kilowatt-Bereich bei Strömen von weit über hundert Ampere liegen können. Die Spannungsfestigkeit liegt durchaus im Bereich einiger Kilovolt.

Bei den Schaltfrequenzen ist der Einfluss der bipolaren Transistorkomponente deutlich zu erkennen, denn hier ist das Bauteil im Vergleich zu einem reinen MOSFET langsamer. Allerdings sind die Schaltleistungen des IGBT deutlich größer.

Begrenzt werden die Leistungen allerdings nicht allein durch die Verlustleistung, die bei anderen Bauteilen der Leistungselektronik eine wichtige Rolle spielt, sondern insbesondere durch den Latch-up-Effekt.

Der Latch up-Effekt

Als Latch up bezeichnet man beim IGBT einen Zustand, in dem das Bauteil wie ein Thyristor arbeitet. Ausgelöst wird der Latch up durch ein unerwünschtes Zusammenspiel des Innenwiderstandes und eines schaltungsbedingten parasitären Transistors. Man betrachte das Ersatzschaltbild des IGBT: Die Emitter-Kollektor-Strecke dieses parasitären Transistors liegt im Normalbetrieb sperrend zwischen dem Emitter des IGBT – dieser liegt über einen Innenwiderstand des Bauteils direkt am Kollektor des bipolaren Transistors – und dessen Basis. Steigt nun der Betriebsstrom über die Kollektor-Emitterstrecke des IGBT an, so bedeutet dies auch einen größeren Spannungsabfall am Innenwiderstand.

Zwar ist der Innenwiderstand des IGBT sehr klein, jedoch schaltet das Bauteil durchaus sehr große Ströme. Der Spannungsabfall kann also im schlechtesten Fall so hoch werden, dass eine ausreichend große Spannung zwischen der Basis und dem Emitter des parasitären Widerstandes entsteht. Der nun durchschaltende (parasitäre) Transistor legt eine Spannung an die Basis des (regulären) bipolaren Transistors an und schaltet dieses auch dann niederohmig, wenn die Steuerspannung am Gate des IGBT abgeschaltet wird. In diesem Fall kann der Stromfluss über den IGBT auch nicht mehr durch eine gegenpolige Spannung am Gate gelöscht werden, wie es beispielsweise bei einem GTO-Thyristor möglich wäre. Erst ein externes Abschalten des Laststromes würde den nun wie einen Thyristor arbeitenden IGBT wieder löschen.

Ein Latch up ist grundsätzlich in praktischen Schaltungen kritisch zu bewerten. Bei einer Motorsteuerung werden IGBT beispielsweise eingesetzt, um in exakt definierten Intervallen eine bestimmte Polarität auf den Motor zu schalten. Hier arbeiten pro Phase an einer Drehstrommaschine zwei IGBT – mit antiparalleler Freilaufdiode – im abwechselnden Betrieb. Würde einer der beiden IGBT in den Latch up-Zustand schalten, würde mit dem Öffnen des zweiten IGBT zwangsläufig ein Kurzschluss entstehen und zu schweren Schäden führen.

Ein Latch up kann unter verschiedenen Bedingungen auftreten. Grundsätzlich wird zwischen statischen und dynamischen Latch up unterschieden. Ein statisches Latch up ist die Ursache eines zu großen Stroms über den IGBT, der wie beschrieben den parasitären Transistor durch einen Spannungsabfall am Innenwiderstand öffnet. Durch Erwärmung des Bauteils kann der kritische Punkt bereits bei geringeren Strömen erreicht werden.

Ein dynamischer Latch up kann durch zu steile Schaltflanken, aber auch durch transiente Störspannungen im System bzw. durch den Einfluss externer Felder begründet sein. Hier wird deutlich, wie wichtig ein gutes EMV-Design für den Schutz der Bauteile und damit der gesamten Anlage ist.

Wichtige Kenndaten

Für die Wahl des richtigen Bausteins findet man in den Datenblättern der Hersteller die erforderlichen Informationen. Für ein IGBT sind dies unter anderem:

  • Kollektor-Emitter-Durchbruchspannung (U(BR)CES)

  • Gate-Emitter-Schwellenspannung (U(th)GE)

  • maximaler Kollektorstrom (Peak Collector-Current, Icmax)

  • permanenter Kollektorstrom (DC-Collector-Current IC)

  • Kollektor-Reststrom (ICES)

  • Gate-Emitter-Spannung (UGE)

  • Gate-Emitter-Leckstrom (IGES)

  • Durchlassspannungsabfall (UCEsat)

  • Kapazitäten des Bauteils

  • Schaltzeiten

  • Juction-Temperature

Die Kollektor-Emitter-Durchbruchspannung (U(BR)CES) wird – wie bei vielen anderen Kennwerten auch – für eine Gehäusetemperatur von 25°C angegeben. Das ist zu berücksichtigen, wenn der IGBT in einem thermisch sehr dynamischen Umfeld betrieben wird. Gegebenenfalls ist durch geeignete Dimensionierung der Schaltung und durch Kühlung ein sicherer Betrieb zu gewährleisten. Der Wert wird bei gegen den Emitter kurzgeschlossenem Gate angegeben. Man spricht deswegen auch von der Spannungsfestigkeit des IGBT im gesperrten Zustand.

Wird am Gate eine Spannung angelegt, so schaltet der IGBT nicht unmittelbar durch. Die Kollektor-Emitterstrecke wird erst bei einer bestimmten Schwellenspannung am Gate voll geöffnet. Diese wird als Gate-Emitter-Schwellenspannung (U(th)GE) bezeichnet. Auch dieser Wert wird im Datenblatt für eine Gehäusetemperatur von 25°C angegeben. Entsprechende Toleranzen und damit Abweichungen im Schaltverhalten müssen also kalkuliert werden, wenn die Temperaturen von diesem Wert abweichen oder sogar stark schwanken.

Im gesperrten Zustand wird im Idealfall ein vollkommen unterbrochener Stromfluss gewünscht. Ein IGBT ist natürlich kein ideales Bauteil und so fließt auch bei gegen den Emitter kurzgeschlossenem Gate ein Kollektor-Reststrom (ICES). Dieser ist zwar sehr gering, jedoch dennoch bei sehr hohen Spannungen zwischen Kollektor und Emitter für eine gewisse Verlustleistung im gesperrten Zustand verantwortlich.

Im durchgeschalteten Zustand fließen große Ströme über den Kollektor des IGBT. Hier werden Grenzwerte für den Dauerbetrieb (permanenter Kollektorstrom (DC-Collector-Current IC)) und für eine kurzzeitige Belastung (maximaler Kollektorstrom (Peak Collector-Current, Icmax)) definiert. Diese Größen sind jedoch immer unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass die maximale Sperrschichttemperatur (Junction Temperature) nicht überschritten wird. Auf die Temperatur des Bauteils kann durch zusätzliche Kühlung positiv Einfluss genommen werden.

Die Verlustleitung des IGBT im durchgeschalteten Zustand ist aufgrund eines Durchlass-Spannungsabfalls (Kollektor-Emitter-Sättigungsspannung UCEsat) als Produkt mit dem fließenden Strom begründet.

Kapazitäten in den verschiedenen Bereichen des IGBT haben als frequenzabhängige Größen direkten Einfluss auf die Grenzen in den Schaltfrequenzen und bestimmen die Anstiegs- und Abfallzeiten des Laststromes. Damit haben diese Parameter auch direkten Einfluss auf die Verlustleistung des Bauteils während der Schaltvorgänge.

Schaltverhalten

Beim IGBT ist insbesondere der Ausschaltvorgang markant, und hier speziell die Betrachtung des Kollektorstroms. Zwei Phasen sind beim Verlauf des Kollektorstromes beim Ausschaltvorgang zu beschreiben: Unmittelbar nachdem das Gate des IGBT auf 0V gesetzt wurde, schaltet der Baustein nicht ohne Verzögerung ab. Statt dessen nimmt die Ansteuerung des internen bipolaren Transistors innerhalb einer kurzen Zeit kontinuierlich ab, bis die Gate-Emitter-Ladungen des Eingangs-MOSFET vollständig abgebaut wurden. Erst jetzt sperrt der bipolare Transistor vollständig. Dennoch fließt ein geringer – stetig abnehmender – Strom weiterhin.

Dieser Stromfluss wird durch den Abbau der Ladungen in der Driftzone bzw. beim PT-IGBT in der Drift- und Pufferzone begründet, der nach dem Sperren des Transistors einsetzt. Man spricht vom Schweifstrom bzw. Tail-Current. Hier gibt es wie bereits beschrieben ein unterschiedliches Verhalten bei Punch-Through- und Non-Punch-Through-Typen. Der Schweifstrom eines PT-IGBT ist aufgrund der räumlich dichteren Ladungsträgerkonzentration stärker als beim NPT-Modell, dessen Ladungen über einen weiteren Bereich verteilt sind. Allerdings ist der Entladeprozess auch wesentlich schneller abgeschlossen und die Zeit, in der dieser Schweifstrom fließt, beim PT-Typen bedeutend kürzer als beim NPT-IGBT.

Bauformen

Beim IGBT sind in erster Linie drei Bauformen von Bedeutung: Bei kleineren Typen, die vergleichsweise geringe Leistungen schalten, sind IGBT in einfachen TO-Gehäusen (TO steht für Transistor Single Outline) verfügbar. Sie sind wegen ihrer geringen Größe zum Beispiel in Inverter-Schaltungen für E-Bikes zu finden. Mechanisch aufwändiger, dafür einfach doppelseitig zu kühlen sind Modelle in Scheibengehäusen. Die Kontaktierung erfolgt mit einem gewissen mechanischen Druck, hat aber den Vorzug, thermischen Wechsellasten gegenüber sehr robust zu sein.

Sehr weit verbreitet ist heute die Modulbauform. Sie zeichnet sich durch eine einfache Schraubmontage aus und integriert alle Komponenten in ein isoliertes Gehäuse. Meist werden nicht einzelne IGBT in ein Gehäuse verbaut, sondern mehrere IGBT zum Teil in Kombination mit Freilaufdioden in ein Modul verschaltet. Damit können beispielsweise Vierquadrantensteller in nur einem Gehäuse geliefert werden, wobei Dioden und IGBT aufeinander abgestimmt sind.

Schaltungen mit IGBT

Bei der Verwendung von IGBT in Leistungsstufen ist zu bedenken, dass diese Bauteile nicht für den Rückwärtsbetrieb ausgelegt sind. Um hier – insbesondere beim Schalten induktiver Lasten – Zerstörungen zu vermeiden, wird die Emitter-Kollektor-Strecke des IGBT antiparallel mit einer Leistungsdiode beschaltet. An diese Diode werden wie an den IGBT selbst hohe Anforderungen gestellt. Sie muss nicht nur eine vergleichbare Belastbarkeit und Spannungsfestigkeit aufweisen, sondern vor allem sehr schnell schalten. Ist die Freilaufdiode zu langsam, dann fällt während ihres „Einschaltvorganges“ an ihr eine hohe Spannung ab, die bereits für den IGBT kritisch werden und zu dessen Zerstörung führen kann.

Einsatzbereiche

IGBT sind heute in der modernen Leistungselektronik nicht mehr weg zu denken. Sie lösen zudem zunehmend Thyristoren, Leistungs-MOSFET und Gate-Turn-Off-Thyristoren (GTO-Thyristoren) ab. Zum Einsatz kommen IGBT unter anderem in Gleichstromstellern, in Frequenzumrichtern, Wechselrichtern, Unterbrechungsfreie Stromversorgungen und sogar in Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsstrecken (HGÜ).

Betrachtet man den IGBT im Vergleich mit anderen Leistungs-Halbleitern, dann fällt auf, dass dieses Bauteil stets auch einen schaltungstechnischen Kompromiss darstellt. So kann ein IGBT bei den Schaltzeiten noch nicht mit einem Leistungs-MOSFET konkurrieren, der mindestens noch um einen Faktor 10 schneller schalten kann. Allerdings ist die Belastbarkeit eines Leistungs-MOSFET deutlich geringer als beim IGBT. Der IGBT kann Ströme schalten, die rund 10 bis 100 Mal größer sind, als sie ein Leistungs-MOSFET vertragen kann.

Einfache Thyristoren können sehr große Ströme schalten, jedoch sind sie sehr langsam, was insbesondere durch die Freiwerdezeit des Bauteils begründet ist. Zudem genügt es beim Thyristor nicht, das Gate kurz zuschließen, um den Laststrom zu löschen. Dies ist bei Wechselströmen erst mit dem Nulldurchgang automatisch und bei Gleichströmen nur mithilfe zusätzlicher Schaltungen möglich.

Der einfache bipolare Leistungstransistor kann dem IGBT weder in der Geschwindigkeit noch in der Belastbarkeit das Wasser reichen. Er hat deswegen in der modernen Leistungselektronik im Bereich Energietechnik und Elektromobilität kaum eine Bedeutung.

Stärkster Konkurrent des IGBT ist – auch wenn dieses Bauteil mehr und mehr abgelöst wird – der Gate-Turn-Off-Thyristor (GTO-Thyristor). Seine Schaltleistung liegt nach wie vor deutlich über der eines IGBT, jedoch ist die Schaltgeschwindigkeit um mindestens eine Dekade geringer als bei einem IGBT. Hinzu kommt der schaltungstechnische Aufwand um den GTO-Thyristor durch eine gegenpolige Ansteuerung am Gate zu löschen.

Fazit

Ein IGBT ist nicht der ideale Baustein in der Leistungselektronik. In einzelnen Disziplinen sind ihm der Leistungs-MOSFET und der GTO-Thyristor deutlich überlegen. Insgesamt stellt der IGBT jedoch den besten Kompromiss aus Schaltgeschwindigkeit und Belastbarkeit bei minimalem sekundären Schaltaufwand dar.

(rs/12-2015)